Was das Bloggen auch so kompliziert macht, ist wenn Dinge kompliziert sind. Ich versuche, mich gerade zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und was das für Blogger bedeutet schlau zu machen. Ohne juristische Ahnung halte ich mich da lieber bedeckt. Wer sich informieren will, findet bei den großen Online-Medien bestimmt etwas oder auch bei Udo Vetter (und dem Nachtrag) etwas dazu. Aber mir sind zwei Kommentare von Juristen aufgefallen, die ganz deutlich und harsch erklären, daß die Macher dieser Gesetze juristische Stümper sind. RA Dr. Bahr aus Hamburg sagt in einem Interview: Die gesetzlichen Neuerungen sind - um es mit klaren und deutlichen Worten zu sagen - nicht nur inhaltlich, sondern auch juristisch dilletantisch. Eine absolute Grausamkeit und Unverschämtheit von Seiten des Gesetzgebers. Der Jura-Professor Thomas Hoeren schreibt in seinem Blog: "Was man in letzter Zeit als Gesetzgebungsentwürfe liest, schlägt einem auf den Magen. Sei es die Reform des Arbeitnehmerdatenschutzes oder das Buttongesetz gegen Internetabzocke - man wird den Verdacht nicht los, daß hier "Legastheniker" am Werke waren, die erst nach mehrfachen Anläufen ihr Jurastudium an irgendeiner C-Universität zu Ende gebracht haben.
Doch alles bisherige wird überboten durch den Jugendmedienstaatsvertrag, der Anfang 2011 in Kraft treten soll." (Nachtrag: Auch Udo Vetter äußert sich im Interview ganz deutlich:
"Frage: Was halten Sie persönlich, als Jurist und Blogger, von dem Gesetz?
Vetter: Dieses Gesetz ist Schrott, dieses Gesetz wirft uns in die Adenauer-Zeit zurück, es wird damit Stress und Ärger geben, es ist von vorne bis hinten sinnlos, weil die ganze andere Welt sich einen Dreck darum schert. Aber man darf jetzt nicht in Panik verfallen und sagen, das Internet in Deutschland geht kaputt. Es war auch für mich als Anwalt extrem quälend, mich in diese Materie einzuarbeiten, weil der Gesetzestext so eine Katastrophe ist. Mein Kollege Thomas Hoeren hat dazu sinngemäß geschrieben, da können nur ‹C-Juristen› oder eine Ansammlung von ‹Legasthenikern› am Werk gewesen sein. Dass das wirklich inkompetente Leute sind, die gar nicht wissen wie man Gesetzestexte schreibt, wird ja offensichtlich. Und daraus entsteht erst dieses Chaos.")
Puuh, bisher wurde so etwas noch mit "handwerklichen Fehlern" bei neuen Gesetzen beschrieben. Daß jemand das jetzt mal so deutlich sagt sollte doch mal zu denken geben (klar, und der Weihnachtsmann kommt ja auch bald).
Der Eindruck, der bei mir von diesem Gesetz hängen bleibt ist der, daß dort ein wachsweiches Gesetz geschaffen wird, daß einem so peinlich ist, daß man es erst einmal nicht anwenden wird, genauso wie das Gesetz zu den Netzsperren, die gegen Kinderpornografie helfen sollen, dies aber technisch nicht tun und den Weg ermöglichen zu einem Internet á la China oder Iran. Beide Gesetze stehen dann aber bereit, wenn man sie braucht. Und wenn demnächst dann mal ein Verbrechen geschieht, bei dem es einen Zusammenhang zwischen einer Webseite und einer Tat gibt, dann möchte ich nicht darüber nachdenken, was passiert, wenn zeitgleich gerade eine Wahl bevorsteht oder ein Amt neu zu vergeben ist, bei dem sich die Bewerber noch profilieren müssen.
Ein weiterer Eindruck ist einer, den ich bei ganz vielen neuen Regeln habe, auch wenn sie so unterschiedliche Bereiche wie Schule und Bildung, Umweltschutz oder die Verkehrssicherheit betreffen: Man trifft mit den neuen Gesetzen immer nur die braven Leute, die sich an Gesetze halten wollen und macht ihnen das Leben schwer. Lehrer und Erzieher müssen alles dokumentieren, was sie tun, weil man sonst nicht in der Lage ist zu beurteilen, ob sie ihre Sache gut machen, und man sich nicht traut, ihnen bei der Arbeit zu zu gucken. Menschen, die ihre alten Farbtöpfe nicht einfach in die Mülltonne werfen wollen, müssen immer mehr Aufwand betreiben, weil Sammelstellen geschlossen werden, Abholtermine seltener werden und immer mehr Gegenstände als Sondermüll deklariert werden. Ich suche hier noch nach besseren Beispielen, aber den Eindruck habe ich.
und als letztes muß ich an einen Text von Lawrence Lessig denken, in dem er den Film über den Facebook-Gründer Marc Zuckerberg besprach. Lawrence Lessig ist Jura-Professor in Harvard und macht sich u.a. Gedanken darüber, wie ein Copyright gestaltet sein muß, damit es in eine Welt paßt, in der es digitale Medien und das Internet gibt, und der dabei nicht nur an die Rechteinhaber denkt, sondern daran, daß Gesetze nicht zum Schutz von Einzelinteressen da sein sollen. Jedenfalls schreibt er in seiner Rezension, daß in dem Film eine, für ihn ganz faszinierende, Sache gar nicht zur Sprache kommt. Zuckerberg mußte niemanden um Erlaubnis fragen, um seine Idee (von wem sie auch ursprünglich gewesen sein mag) umzusetzen. Und niemand hätte es ihm verbieten können. Der Perlentaucher faßt zusammen: "Drehbuchautor Aaron Sorkin - der sich in Interviews damit brüstet, keine Ahnung vom Internet zu haben - hat einfach nicht verstanden, was das besondere an der Facebookstory ist. [Es ist] die Tatsache, dass Zuckerberg seine Idee mit weniger als 1000 Dollar ins Internet bringen konnte und niemanden um Erlaubnis fragen musste: keinen Provider, keine Universität, Institution oder Firma - weil das Internet frei und offen ist." Die Offenheit ist in Gefahr. An anderen Stellen will man ja auch keine Offenheit, die deutschen Handwerker schotten sich ja auch durch allerlei Regeln ab. Aber dabei entsteht keine Sicherheit mehr, weil z.B. das geschlossene System der Handwerker durch EU-Handwerker ausgehebelt wird. Und so wird es auch mit dem Internet sein. Deutsche Blogger werden aus Unsicherheit teilweise ihre Seiten schließen (einige haben das schon getan) oder wollen in Zukunft anonym und aus dem Ausland bloggen. Wenn man dann dagegen etwas von staatlicher Seite tun will, dann geht man tatsächlich bald in Richtung China.
Es gibt natürlich noch offene Fragen, wie Dinge im Internet geregelt sein sollen. Google Street View ist eine tolle Sache, und als meine Frau virtuell durch eine Straße mit mehrgeschossigen Mietshäusern ging und dort einzelne Häuser verpixelt waren, kam mir das seltsam und sogar albern vor, weil es ja ein eigentlich öffentlicher Anblick war. Wenn ich mir das ganze aber in einer Gegend nur mit Einfamielhäusern und offenen Gärten vorstelle, kommt mir dies weniger seltsam vor. Und wenn dann noch Dienste wie Panoramio Bilder anbieten, die kaum einer Regelung unterworfen sind, dann muß ich auch nochmal über das, was wünschenswert ist nachdenken.
Aber mit diesem neuen Gesetz fühle ich mich unwohl. Es wird ein Gesetz auf Vorrat gelegt, das man dann bei Bedarf einsetzen kann. Ähnliches ist ja auch bei den Mautdaten passiert, die kurz nachdem alles lief, auch zur Fahndung und Überwachung eingesetzt werden sollten. Und damit bin ich noch nicht mal beim Thema Abmahnungsmöglichkeiten angelangt. Die sollen zwar laut Udo Vetter gering sein, aber für genauere Auskünfte braucht man dann vielleicht doch einen Anwalt. Und wenn man keine Lust auf Streit hat, dann läßt man das Bloggen halt sein oder beschränkt sich auf Themen, die absolut harmlos sind. Aber was macht man, wenn man denkt, es war harmlos?
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